Die Kontaktflächen werden mit speziellen Kontakteigenschaften ausgestattet, mit denen die notwendigen Kräfte zum Trennen der Klebeverbindung eingestellt werden können. Auf diese Weise können sowohl verklebte Bauteile simuliert werden als auch Tape oder andere klebrige Oberflächen, die erst im Laufe der Simulation mit anderen Bauteilen in Kontakt treten.

Kohäsives Verhalten

Klebeverbindungen lassen sich ideal mithilfe von kohäsivem Verhalten beschreiben. Dieses wird im klassischen Finite Elemente Kontext meist mithilfe von Traction Separation Laws (TSL) modelliert. Über eine spezielle Elementtypen (kohäsive Elemente) oder eine Surface Interaction (kohäsiver Kontakt) wird dieses TSL an ausgewählten Interfaces, der Klebefläche, vorgegeben und beschreibt die Trennung von zuvor intaktem Material entlang dieses Interface. Dies erfolgt über ein Materialgesetz, welches eine Zug- oder Schubspannung mit der Öffnung eines Risses entlang des Interface in Verbindung setzt, siehe Abbildung 1.

Finite Elemente, Modellierung mit Hilfe von Traction Separation Laws (TSL)

Abbildung 1: Traction Separation Law

 

In dem Materialmodell gibt es drei verschiedene Phasen: Der elastischen Phase, der Damage Initiation und der Damage Evolution. Betrachten wir den Fall einer weggesteuerten eine Last auf unser Interface, welche erhöht wird. Zunächst wächst die Spannung linear mit der Separation, was mit dem Proportionalitätsfaktor K modelliert wird (Einheit Spannung/Länge). Der Wert K gibt die Steifigkeit des Interface vor. Bei einem unendlich dünnen Interface geht dieser Wert gegen unendlich, weshalb man hier oft auch von einer Penalty Stiffness spricht.

Sobald die kritische Spannung σ erreicht wird, beginnt das Interface zu schädigen, man spricht von Schädigungsinitiierung (Damage Initiation). Im Anschluss erfolgt die Damage Evolution, welche einen Rissfortschritt beschreibt. Die Damage Evolution kann entweder über die kritische Energiefreisetzungsrate G (Einheit Energie/Fläche), welche die Fläche unter der Kurve in Abbildung 1 beschreibt, oder die Separation bei komplettem Versagen δ (Einheit Länge) angegeben werden. Für ein vollständig intaktes Interface müssen sowohl die kritische Spannung σ, als auch die kritische Energiefreisetzungsrate G experimentell bestimmt werden.

Grundsätzlich benötigt man für ein Interface drei dieser Gesetze, eines in Zugrichtung, d.h. senkrecht zum Interface, und zwei in Schubrichtungen, welche in der Interfaceebene liegen. Je nach Spezifizierung können diese separat voneinander betrachtet oder miteinander gekoppelt verwendet werden.

Aufbau in Abaqus/CAE

Um in Abaqus/CAE ein kohäsives Interface mithilfe von Cohesive Contact zu modellieren benötigt man eine Contact Interaction Property. Der Steifigkeitsfaktor K, unterteilt in eine Normalen Richtung und zwei Schubrichtungen, wird im Reiter Cohesive Behavior eingetragen, siehe Abbildung 2. Man hat hier auch die Möglichkeit mithilfe der Default Einstellung Use default contact enforcement method den Wert als Penaltyfaktor von Abaqus in Abhängigkeit der umliegenden Materialsteifigkeiten zu wählen. Über den Reiter Coupled kann die Steifigkeit auch als 3×3 Matrix angegeben werden, welche eine Kopplung von Schub und Zug ermöglicht. Die Steifigkeitsparameter, sowie alle anderen Interface Parameter können sowohl temperatur- als auch Feldvariablen abhängig gewählt werden.

Steifigkeitsfaktor K eingetragen in Cohesive Behavior

Abbildung 2: Cohesive Behavior

 

Kritischen Spannungen in Normalen- und Schubrichtung eingetragen unter Initiation

Abbildung 3: Damage Initiation

 

Die Schädigungsparameter werden über den Reiter Damage angegeben, siehe Abbildung 3-5. Unter Initiation (Abbildung 3) werden die kritischen Spannungen in Normalen- und Schubrichtung eingetragen, wenn als Schädigungskriterium die Maximalspannung gewählt wird (was dem default entspricht). Bei diesem Kriterium initiiert die Schädigung, sobald eine der drei Spannungskomponenten in der Ebene einen kritischen Wert erreicht. Alternativ kann auch ein quadratisches Kriterium für die Spannungen gewählt werden, bei dem die quadratische Norm herangezogen wird. Zudem sind zwei Kriterien auf Basis einer kritischen Rissöffnung möglich (Maximum und quadratisches Kriterium). Zur Modellierung von progressiver Schädigung muss zusätzlich ein Parameter für die Schädigungsevolution angegeben werden, siehe Abbildung 4. Die Schädigungsevolution kann entweder als Typ Displacement oder als Typ Energy vorgegeben werden, womit entweder die maximale Rissöffnung δ oder die kritische Energiefreisetzungsrate G angegeben werden, siehe Abbildung 1. Zudem kann die Softeningkurve linear verlaufen, wie in Abbildung 1 dargestellt, oder exponentiell abfallen.

Zusätzlich zu den Einstellungsmöglichkeiten von Schädigungsinitiierung und Evolution kann über den Reiter Stabilisation noch ein stabilisierender Viskositätsparameter angegeben werden. Dieser kann bei der Verwendung des Abaqus/Standard Solvers bei Konvergenzproblemen helfen, da die Modellierung von Rissfortschritten eine numerische Herausforderung darstellt.

 

Parameter für die Schädigungsevolution in Damage Evolution

Abbildung 4: Damage Evolution

 

Abbildung 5: Damage Stabilization

Ein besonderer Vorteil von der Modellierung eines TSL mithilfe von kohäsivem Kontakt ist die Möglichkeit, einen sticky contact abzubilden. Es können so also Bauteile, die zunächst getrennt voneinander sind, miteinander in einen verklebten Kontakt treten. Die durch den Kontakt entstandene Klebefläche kann mit einem kohäsiven Interfaceverhalten belegt werden, sodass sich die Klebefläche erst ab einer bestimmten Belastung wieder löst. Im Gegensatz zur Modellierung mit kohäsiven Elementen beschränkt sich der kohäsive Bereich nicht zwangsläufig nur auf zuvor zusammenhängende Bereiche. Um dies einzustellen, muss in Abbildung 2 die Option Any secondary nodes experiencing contact ausgewählt werden. Somit sind alle Knoten, an denen diese Interface Property gilt, einmalig in kohäsivem Kontakt, d.h. das erste Mal Trennen erfolgt kohäsiv. Jeder weitere Kontakt ist dann ein normaler Kontakt ohne Reibung (wenn nicht anders angegeben). Es ist auch möglich, dass jede Kontaktinteraktion kohäsiv erfolgt, d.h. auch nach mehrmaligem Trennen wieder durch ein TSL abgebildet wird. Hierfür muss zusätzlich die Bedingung Allow cohesive behavior during repeated post-failure contacts in Abbildung 2 gewählt werden.

Mögliche Anwendungsfälle für die Modellierung von sticky contact sind zum Beispiel die Modellierung von Tape, welches sich im Laufe der Simulation löst und wieder schließt. Alternativ lassen sich somit auch die Verklebung von nicht perfekten Flächen miteinander und das wieder Auftrennen simulieren.

Simulationsbeispiel mit Abaqus/Explicit

Als Simulationsbeispiel betrachten wir einen Ball, welcher mit einer Anfangsgeschwindigkeit schräg auf eine (klebrige) Wand geworfen wird. Zusätzlich erfährt der Ball eine Gravitationskraft, siehe Abbildung 6. Als Solver verwenden wir für dieses Problem Abaqus/Explicit. Wir betrachten drei Fälle, wobei wir hier auf Dummy-Parameter zurückgegriffen haben, um spezifische Effekte darzustellen. In einer realitätsnahen Simulation müssen die Materialparameter immer experimentell bestimmt und kalibriert werden.

1.) Reibkontakt zwischen dem Ball und der Wand, siehe Video 1.
2.) Sticky Contact, wobei die Parameter so gewählt sind, dass der Impuls nicht ausreicht, um den Ball wieder von der Wand zu lösen, siehe Video 2.
3.) Sticky Contact, wobei die Parameter so gewählt sind, dass der Impuls gerade ausreicht, um den Ball wieder von der Wand zu trennen, siehe Video 3.

Simulationsbeispiel: Ball wird mit einer Anfangsgeschwindigkeit schräg auf eine (klebrige) Wand geworfen, zusätzlich erfährt der Ball eine Gravitationskraft

Abbildung 6:

Ball mit Anfangsgeschwindigkeit v unter Schwerkraft

 

Video 1: Reibkontakt              Video 2: Sticky Contact           Video 3: Sticky Contact

 

In Video 1 ist zu sehen, wie der Ball direkt von der Wand abprallt. Beim Aufprall verformt sich der Ball elastisch, ein Großteil der elastischen Energie wird wieder in Bewegungsenergie umgewandelt, wobei etwas Energie aufgrund von Reibung dissipiert.

In Video 2 bleibt der Ball an der Wand kleben. Beim Aufprall treten die in den Kontakt involvierten Knoten in eine kohäsive Verbindung ein. Die durch die Bewegung eingebrachte Energie reicht nicht aus, um die kohäsive Verbindung wieder zu lösen, sodass der Ball haften bleibt und zur Ruhe kommt.

In Video 3 bleibt der Ball zunächst an der Wand kleben. Wie in Video 2 treten die Knoten in kohäsiven Kontakt. Allerdings ist nun der Impuls groß genug, um die kohäsive Verbindung wieder zu lösen. Hierbei wird Energie dissipiert, weshalb der Ball sich deutlich langsamer bewegt als vor dem Aufprall. Zudem bewegt sich der Ball nach dem Aufprall etwas nach oben.

Zusammenfassung

In diesem Blog-Beitrag haben wir gezeigt wie man in Abaqus/CAE ein kohäsives Verhalten mit Cohesive Contact modellieren kann. Hierfür implementiert man ein Traction Separation Law, welches Rissöffnung entlang einer vorgegebenen Fläche abbilden kann. Das besondere an kohäsivem Kontakt im Vergleich zu kohäsiven Elementen ist, dass auch ein klebriger Kontakt modelliert werden kann. Dies haben wir an einem Beispiel mit Abaqus/Explicit verdeutlicht, bei dem ein Ball auf eine klebrige Wand geworfen wird. Je nach Materialparametern und Anfangsimpuls löst sich der Ball wieder von der Wand oder bleibt haften.

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